Neulich haben mir Kunden eine Frage gestellt:
Müssen wir unsere oberste Geschossdecke bis Ende 2011 nach den Vorschriften der Energieeinsparverordnung EnEV 2009 dämmen?
Man sollte meinen die Antwort sei ganz einfach.
Ist sie erst einmal auch.
Die EnEV 2009 schreibt vor, dass ungedämmte und zugängliche oberste Geschossdecken zu unbeheizten Dachböden bis 31.12.2011 mit einer Dämmung nachgerüstet werden müssen. Ungedämmt heißt laut der 15. Staffel der Auslegungsfragen zur EnEV, dass die Decke nicht den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108 erfüllt. Dort ist ein u-Wert von höchstens 0,9 genannt.
Wer schon einmal in einer obersten Etage eines Mehrfamilienhauses gewohnt hat, kann die Verpflichtung zur Nachrüstung leicht nachvollziehen. Wenn nicht (oder nur wenig) gedämmt ist, kann man im Winter heizen wie man will, so richtig warm wird es nie.
Daher ist diese Vorschrift der EnEV auch ausdrücklich zu begrüßen.
Vor einigen Jahren habe ich das selbst ausprobiert. Ich wohnte in einer Altbauwohnung über der sich der nicht ausgebaute und nicht gedämmte Dachboden befand. Im Winter glühten die Heizkörper, aber irgendwie zog es und es waren kaum 20°C zu erreichen. Da ich noch einige Dämmplatten übrig hatte, habe ich diese einfach über meinem Wohnzimmer und dem Bad ausgelegt und mit Spanplatten lose belegt. Für eine Mietwohnung war das ja schon genug Aufwand. Und siehe da – problemlos erreichte ich auch bei Frost 21°C oder mehr. Die Heizkörper wurden nicht mehr so heiß und es zog nicht mehr! Ein ganz anderes Wohnen war das.
Zurück zur Frage meiner Kunden: Muss Dämmung durch die Eigentümer nachgerüstet werden?
Im Prinzip ja, aber die Vorschriften der EnEV gelten unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit der Massnahme. Das heißt: Ist innerhalb eines „angemessenen“ Zeitraums keine Amortisation der Dämmmassnahme zu erwarten, muss nicht gedämmt werden. Was angemessen bedeutet ist meines Wissens noch nicht abschließend geklärt.
Und damit es noch ein wenig schwieriger wird, gibt es jetzt auch noch eine Stellungnahme der „Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferrenz“. In dieser Stellungnahme steht, dass bei Holzbalkendecken und bei ab 1969 errichteten Häusern davon ausgegangen werden kann, dass der Mindestwärmeschutz nach DIN 4108 erfüllt ist.
Wie die Kommission darauf kommt ist mir völlig unklar. Diese Stellungnahme ist ein katastrophales Signal. Die Bundesregierung führt damit den Sinn der EnEV ad absurdum. Wozu brauche ich Verordnungen, wenn ich mich nicht daran halten muss? Wie finde ich heraus, ob die Decke in meinem Haus die DIN 4108 erfüllt?
Da ich selbst viele Jahre Eigentümer war, liegt mir eine Bevormundung und „Gängelung“ der Vermieter – wie es in den Medien immer mal formuliert wird – fern. Aber gerade diese meist nicht sehr kostenintensive und wirkungsvolle Maßnahme nicht vorzuschreiben, ist für mich wirklich eine Bankrotterklärung der Politik.
Gerade die Dachdämmung ist ein wichtiger Teil der energetischen Gebäudesanierung. Auf Grund des großen Anteils des Daches an der Hüllfäche eines Gebäudes, entweicht ein großer Teil der Wärme durch die oberste Geschossdecke. Mit einer Dämmung nach EnEV läßt sich der Energieverbrauch eines Gebäudes um bis zu 20 % senken.
Ergänzung 01.10.2020
Vor einigen Jahren war ich an einer Dachdämmung beteiligt: In einem Mehrfamilienhaus in Berlin aus den 1960er-Jahren sollte das Dach gedämmt werden. Dabei handelt es sich – wie es typisch ist für Häuser aus dieser Zeit – um ein Flachdach. Bauphysikalisch ist der Effekt der gleiche wie bei der oben beschriebenen Decke zum ungedämmten und nicht ausgebauten Schrägdach eines Altbaus: In beiden Fällen stellt die Decke der obersten Wohnung/-en den Abschluss des Warmbereichs dar. Im Altbau befindet sich darüber noch der unbeheizte und zugige Dachstuhl, im 60er-Jahre Haus lediglich die Abdichtung, z.B. Teerpappe. Vereinfacht ausgedrückt ist es im Winter unter der Decke warm, oben drüber kalt.
Mehrere Nutzer des Hauses waren skeptisch und sahen einen eventuellen Vorteil lediglich bei den Bewohnern der oberen Etage. Seit der Ausführung der Arbeiten (Dämmung mit 24 cm Polystyrol) sind nun mehrere Jahre vergangen und es zeigt sich folgendes:
Der Energieverbrauch des Hauses (nicht einer Wohnung!) ist um etwa 20 % zurückgegangen. Dies sieht man an den Wärmeabrechnungen der letzten Jahre gut, da das Haus mit Fernwärme beheizt ist. Durch diesen Rückgang des Verbrauchs sind die Heizkosten gesunken. Weil Heizkosten in zentralbeheizten Mehrfamilienhäusern gemäß Heizkostenverordnung als Grund- und Verbrauchskosten umgelegt werden, profitieren alle Bewohner davon, da die verbrauchsunabhängigen Grundkosten nun niedriger sind.
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