Die Mieter in diesem Wohnblock haben einen Baustopp per einstweiliger Verfügung durchgesetzt. Rechts und links wird bereits gedämmt. – Foto: Susanne Ehlerding

In einer Schmargendorfer Siedlung kämpfen die Bewohner gegen eine Mieterhöhung wegen energetischer Sanierung. Auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt können sie nicht in andere Quartiere ausweichen.


Woanders würden die Mieter einfach wegziehen

 aus dem Tagesspiegel vom 31.10.2015 über die Situation meiner Kundin und meiner Arbeit 

Die energetische Sanierung entwickelt sich immer mehr zum Zankapfel zwischen Mietern und Vermietern. Was ursprünglich als Maßnahme für mehr Klimaschutz gestartet war, entpuppt sich auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt als Instrument für die Renditesteigerung des Vermieters.

Diese Schlüsse drängen sich auf, wenn man den Fall einer kleinen Siedlung der Gagfah in Schmargendorf betrachtet. Die Handvoll Wohnblöcke aus den 30er Jahren liegt nahe dem S-Bahnhof Hohenzollerndamm zwischen Salzbrunner, Charlottenbrunner und Orber Straße.

Eine saftige Mieterhöhung nach energetischer Sanierung plante der Vermieter laut Modernisierungsankündigung. In einem Beispiel, das dem Tagesspiegel vorliegt, sollten für eine 54 Quadratmeter große Wohnung 180 Euro mehr Miete monatlich gezahlt werden. Davon sollten allein 120 Euro auf die energetische Sanierung (Fassadendämmung, neue Haustüren und Fenster) entfallen. Der Rest war im Wesentlichen für eine Modernisierung des Bades geplant. Die Einsparung bei den Heizkosten nach der Modernisierung sollte laut Ankündigung der Gagfah aber nur neun Euro im Monat betragen. Das ist ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:13.

„Ein ganz großes Problem sind die Vorgaben der Politik“

Nur wenige Fassaden sind ausgespart. Dort leben Mieter, die gegen die Maßnahmen eine einstweilige Verfügung auf Baustopp erwirkt haben. „Der Vermieter müsste theoretisch erst auf Duldung klagen“, erklärt die Anwältin Franziska Dams. „Es wird aber nicht sanktioniert, wenn er das nicht tut.“ So konnte die Gagfah Tatsachen schaffen und dort mit der energetischen Sanierung beginnen, wo sie keinen Zutritt zu den Wohnungen braucht.

Wie sie saniert, erregt ebenfalls den Unmut der Mieter. „Die Leute arbeiten hier entgegen den Vorschriften“, sagt Fred Grätz. „Die Dämmplatten dürfen auf keinen Fall bei Regen verarbeitet werden, oder nur wenn das Baugerüst durch eine wetterfeste Plane abgedeckt wird.“ Stattdessen hätten Arbeiter im Regen die Platten geklebt, während sie selbst Plastikumhänge trugen, berichtet Grätz. Andere Mieter bestätigen, dass die Platten „pitschenass“ gewesen seien. „Man kann sich ohne viel Fantasie vorstellen, dass hier von vornherein Schimmel eingebaut wird“, sagt Grätz.

Neuregelung der Modernisierungsumlage soll bis Mitte 2016 kommen

Abgesehen von der handwerklichen Umsetzung im Einzelfall läuft bei der energetischen Modernisierung grundsätzlich etwas falsch, sagt Gutachter Götz Autenrieth. „Ein ganz großes Problem ist, was die Politik an Vorgaben macht. Elf Prozent der Modernisierungskosten dürfen auf die Mieter umgelegt werden. Nach neun Jahren ist die Fassade also zu 99 Prozent bezahlt. Sie hält aber 30 oder 40 Jahre.“ Autenrieth plädiert deshalb für eine Reduzierung der Umlage auf fünf bis sechs Prozent.

CDU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag tatsächlich auf eine Reduzierung geeinigt – angepeilt ist aber nur eine Senkung auf zehn Prozent. „Aus klima- und energiepolitischer Sicht wird darauf zu achten sein, dass die gesetzlich vorgesehenen Mieterhöhungsmöglichkeiten weiterhin Anreize für energetische Modernisierungsmaßnahmen gewährleisten“, teilt das Bauministerium auf Nachfrage mit. Allerdings „bei gleichzeitiger Bezahlbarkeit des Wohnens“. Das Justizministerium wolle noch in diesem Jahr Leitlinien dazu vorlegen, der Referentenentwurf für das Gesetz soll spätestens im zweiten Quartal 2016 fertig sein. Vom Tisch ist aber offenbar heute schon die Überlegung, die Mieterhöhung zeitlich zu begrenzen.

Ein Problem sind Modernisierungen wegen des angespannten Wohnungsmarktes

„Intensiv ist das Problem der energetischen Sanierung deshalb geworden, weil der Wohnungsmarkt in Berlin so angespannt ist“, sagt Gutachter Autenrieth. In Gegenden mit Wohnungsleerstand würde ein Mieter einfach wegziehen. Aber in Berlin? „Wo soll er denn hin?“

Was Autenrieth noch beobachtet hat: „Bei einigen Modernisierungsankündigungen sind die Kosten immens hoch und der Instandhaltungsanteil auffallend niedrig.“ Ein Beispiel: Für einen neuen Heizkessel bekam Autenrieth ein Angebot, das halb so hoch war wie der Preis, auf dem die Mieterhöhung basierte. Der Gutachter rät Mietern deshalb, nach Ende der Maßnahme die Rechnungen zu prüfen – dazu haben sie das Recht.

Die Gagfah – inzwischen Teil des neuen Dax-Konzerns Vonovia – hat sich nun mit „einer Reihe der Mietparteien“ darauf geeinigt, „finanzielle Härten bei der Umlageerhöhung zu berücksichtigen“, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage. „Wir möchten unseren Mietern auch in Zukunft ein verlässliches und bezahlbares Zuhause bieten.“

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